In Memoriam

In Memoriam Carl Mühl

Mein Großvater wurde am 11.01.1869 als Sohn eines Lehrers in Breitnau im Schwarzwald geboren.

Sein Lebenswunsch, wie sein Vater und die Vorfahren bis 1634 den Beruf des Lehrers ausüben zu dürfen, erfüllte sich nicht. Im Gymnasium der Stadt Ettenheim lernte er Latein. Nach dem frühen Tod seines Vaters musste seine Mutter von einer kleinen Beamtenpension 4 Kinder ernähren. Nur der älteste Sohn konnte das Lehrerseminar besuchen. zuerst begann mein Großvater bei seinem kinderlosen Onkel, Ludwig Mühl, Notar in Baden-Baden, eine Lehre. Viel Freude bereitete ihm die Anfertigung von Urkunden in Rundschrift, mit der er später die Etiketten seiner Biologien beschriftete. Aus familiären Gründen wurde die Ausbildung abgebrochen. Um seiner Mutter Sorgen zu ersparen, trat er eine Friseurlehre an und musste, wie es damals üblich war, Kost und Logi mit Kinderhüten und Arbeiten im Haushalt des Meisters, verdienen. Als Geselle ging er auf Wanderschaft.

In Stuttgart erwarb er als Badener die württembergische Staatsbürgerschaft, gründete ein Geschäft und eine Familie. Im Hinterzimmer seines Geschäfts studierte der Autodidakt und fertigte seine Biologien an. Seine Sammelgebiete waren die Stuttgarter Wälder.

 

 

Im Verlag von Strecker & Schröder Stuttgart, erschienen 2 kleine Bücher:

            1908    Raupen Und Schmetterlinge

            1909    Larven und Käfer

Am Ende des 1. Weltkriegs verlor er seine Frau durch eine Grippeepidemie. Als die Söhne erwachsen waren, entledigte er sich der Fessel des ungeliebten Berufes und lebte 30 Jahre als Präparator in der Liebe zur wissenschaftlichen Arbeit in bescheidenen Verhältnissen zufrieden und glücklich. Schulen und der Verlag Kosmos kauften seine Biologien, die sich durch handwerkliche Qualität auszeichneten. Im Entomologischen Verein fand er Freunde und Anerkennung.

Auf dem Killesberg durfte er 1939 seine Schädlingsbiologien ausstellen.

An seinem 85. Geburtstag wurden Persönlichkeit und Werk in der Stuttgarter Zeitung gewürdigt.

Eine große Zahl seiner Insektenbiologien sind bis heute im Zoologischen Museum der Universität Hohenheim ausgestellt.

Auf Grund seines Alters hätte mein Großvater im 2. Weltkrieg seine Wohnung in der Schabstraße 189 verlassen und aufs Land gehen müssen. Er weigerte sich und blieb auch in schweren Bombennächten bei seinen Insekten. Als die Liederhalle brannte, ging er durch den brennenden Stuttgarter Westen, um die wissenschaftlichen Bücher es Entomologischen Vereins (Link zum Entomologischer Verein Stuttgart 1869 e.V. Dort ist in dem Unterpunkt  "Geschichte" ein Foto auf dem Carl Mühl als dritter von unten rechts abgebildet ist) im Vereinzimmer zu retten. Seine Liebe zur Wissenschaft gab dem 75jährigen den Mut.

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Zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen gehören unsere gemeinsamen Exkursionen. Unvergessen ist die Entdeckung einer ausgewachsenen Raupe des Totenkopfschwärmers, das Beobachten von Totengräbern in einem Katzenkadaver, das Herausholen einer Larve der Schaumzikade aus der Spucke am Stängel einer Kuckuckslichtnelke, nicht zuletzt die Erzählung vom Ameisenlöwen.

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Mein Großvater Carl Mühl starb am 23.03.1955. Tief bewegt war die Trauerversammlung als ein Zitronenfalter über das Grab flog. Die Natur nimmt Abschied von Carl Mühl.